Samstag, 14. Oktober 2023

Neues Fenster in die Erdgeschichte der Niederlausitz

 Vom Lebenswerk der Familie Andres.

Am Sonntag, den 2. Oktober 2022 11:00 Uhr, war es soweit. Nach fast einjährigen Aufbauarbeiten öffnete im Technischen Denkmal Brikettfabrik Louise eine neue geologische Ausstellung. In jahrzehntelanger Kleinarbeit hat Familie Anders aus Beiersdorf, tausende verschiedene geologische Fundstücke zusammengetragen. Bestimmt, geordnet, katalogisiert und mit kleinen Schildern versehen. Daraus ist eine Sammlung geworden, wie sie bisher so in der Niederlausitz nicht zu finden sein dürfte. Große Schautafeln begleiten die Ausstellung und Bilder zeigen Regionalgeologie sowie die Entstehung der Ausstellung. In den Schränken befinden sich nicht nur Mineralien, Fossilien und Gesteinsproben sondern auch naturwissenschaftliche, insbesondere geologische Literatur.
Abbildung 1: Christa und Dieter Anders am
Eingang der Kaue, dem Ausstellungsraum.

Wo kommen die vielen Fundstücke her?

In den Vitrinen liegen viele geologisch Fundstücke aus der Heimat. Da sind Grauwacken vom Rothsteiner Felsen und Fischwasserquarzit, Fossilien und Minerale aus Kiesgruben, Tagebauen der Region und natürlich dem ehemaligen Kirchainer Steinkohlenbergwerk zu sehen. Aber auch interessante Eiszeitliche Geschiebe und Flussschotter alter Elbeverläufe. Regionalgeologie eben. Dazu haben viele Mineralien, Fossilien und Gesteine aus vielen Teilen Deutschlands, Europas und der Welt, Eingang in die Sammlung gefunden. Vieles ist selbst gesammelt. Manches auch von Börsen wie der Finsterwalder Mineralien- und Fossilienbörse in Klingmühl oder deren Pendants in den umliegenden Regionen Sachsen, Schlesien und Tschechien mitgebracht. Selbst zwei große inkohlte Baumstammfragmente aus dem Miozän/Tertiär befinden sich in zwei großen Vitrinen.

Mit etwas mehr als 4 000 Fundstücken ist diese Sammlung sehr umfangreich. Dazu kommen Dubletten zum Verkauf. Wer hier aber Gold, Silber und hochwertige Edelsteine erwartet, sieht sich getäuscht. Diese Sammlung hat einen anderen Zweck als materielle Werte zu repräsentieren. Ihr Ziel ist Wissen zu vermitteln.

Abbildung 2: Feierliche Übergabe der Sammlung an die Louise. v. l.: Delf Gerlach,
Christa Anders, Dieter Anders, Dittgard Happich.
Ein Lebenswerk hat hier seine Bestimmung gefunden, stellte Delf Gerlach, 2. Beigeordneter der Verbandsgemeinde Bad Liebenwerda, in seiner Eröffnungsrede treffend fest. Er dankt Dieter Anders, seiner Frau Christa und der gesamten Familie für diese Sammlung. Sie wird das Schülerkabinet in der Kaue bestens ergänzen. Dittgard Happich, ehrenamtliche Bürgermeisterin in Uebigau-Wahrenbrück, ergänzt in ihrer Ansprache das Besondere an der Idee und dankte allen Beteiligten.
Abbildung 3: Dieter Anders bei seiner Rede zur Eröffnung
der Ausstellung.

Doch wie kommt man zu solch nicht alltäglichen Hobby „Steine zu sammeln“? Warum ist die Sammlung gerade in der Louise? Und wie lässt sie sich zukünftig Nutzen? In seiner Eröffnungsrede vor den Gästen und seiner Familie, geht Dieter Anders diesen Fragen nach.

Abbildung 4: Vitrinen mit der Sammlung.
Abbildung 5: Das Schülerkabinet mit den geologischen Schautafeln

Wie alles begann.

Aufgewachsen ist Dieter Anders auf einem Bauernhof in der Nähe von Meißen. In Sichtweite die Kaolin-Seilbahn von Seilitz zur Schlämmerei nach Zehren. Das gereinigte Kaolin war der Grundstoff für die Porzellanmanufaktur Meißen. Viele Männer seines Heimatdorfes arbeiteten damals in den Tonschächten im Nachbarort. Als er 13/14 Jahre alt war, nahm ihn ein Steiger mit unter Tage. Er drückte ihm einen Pressluftspaten in die Hand und Dieter sollte einen Tonbrocken lösen. Den Spaten konnte er noch über den Kopf heben. Für den Tonabbau reichte die Kraft aber noch nicht. Was er mit nahm war die Achtung vor der schweren körperlichen Arbeit unter Tage. Seine ersten Berührungen mit Mineralien waren also Kaolin und Ton.

Als sich sein Abitur dem Ende näherte, entschied sich Dieter Anders Lehrer zu werden, mit der Fachrichtung Mathematik. Das lag ihm und als zweites leichteres Fach wählte er Geographie. Doch das sollte sich als irrige Annahme erweisen. Geographie kennt viele Teildisziplinen wie Bevölkerungs-, Siedlungs-, Verkehrsgeographie, Klimatologie, Morphologie, Boden- und Gewässerkunde, Biogeographie, Geologie und Petrographie. Verbunden waren damit Exkursionen, auch mit Professor Herz. So sammelten sie damals schon am Windberg in Freital, am Ascherhübel im Tharanter Wald und weiterer Fundstellen. Ich glaube heute, mein Hobby geht auf diesen exzellenten Lehrer zurück, so Dieter Anders.

Seinen Schuldienst begannt er 1968 in Burg /Spreewald. Dort gab es nur Wasser und Sand. Und doch fand er dort seinen wichtigsten Edelstein, Christa, seine spätere Frau, mit der er seit mittlerweile 50 Jahren das Leben teilt. Die Wohnungssuche führte beide durch Zufall 1974 nach Beiersdorf und somit an die Bönitzer Schule. Zu dieser Zeit bekam er den Auftrag die Rumpelkammer unter dem Treppenaufgang aufzuräumen. Dort fand er eine verdreckte Kiste mit Steinen und wollte wissen um welche es sich handelt. Damit war das Fieber war geweckt, was bis heute anhält.

In Familie ging es zum Sammeln nach Mühlberg, später nach Altenberg, Zinnwald, Hirschsprung, ins Bielatal, nach Schlottwitz und viele Jahre ins Isergebirge. Auch Fundstücke aus dem Altkreis Liebenwerda kamen hinzu: Beiersdorf, Lönnewitz, Kauxdorf, Wildgrube, Prestewitz, Wahrenbrück, Rothstein, Zeischa, Hohenleipisch. Natürlich auch aus der Meißner Heimat. Und vor der Wende vorwiegend aus dem Iser- und Riesengebirge sowie dem Böhmischen Paradies. Da gab es auch so manche interessante Episode: In Klein Iser im sogenannten Misthaus lebte Gustav Ginzel. Im Geographiebuch Klasse 8 war ein Foto von ihm. Das Buch schenkte ihm Dieter Anders. Durch die Streusiedlung Klein Iser fließt ein Bächlein, der Safirovy potok, mit Europas einziger Fundstelle von Saphiren. Gustav wollte das Dieter bleibt. Doch gegen 5:00 Uhr kommt die Polizei und schießt scharf. Er lehnte dankend ab, erhielt aber von ihm Iserine, ein Eisen-Titanoxid-Mineral, was auch sehr selten ist, sowie Tipps über Fundstellen.

Sein Hobby hatte sich herumgesprochen und so brachten Verwandte und Kollegen aus ihren Urlaubsorten „Steine“ mit. Beispielsweise vom Ayers Rock in Australien, aus Assuan, Theben (Ägypten), Marokko, der Mongolei, Südostasien usw. Sogar vom Beagle-Kanal in Feuerland. Auch Börsenbesuche waren eine gute Quelle: München, Dresden, Klingmühl, Freiberg, Maxen, Pribram und Radostna in Böhmen oder Lwowek in Schlesien. Damit wurde die Sammlung international und wuchs letztlich auf ihre heutige Größe. Viele Fundstücke davon sind selbst getrommelt, geschnitten, geschliffen und poliert.
Abbildung 6: Dieter Anders auf der Großen Mineralien– und Fossilienbörse
in Klingmühl 2017.

Warum nun gerade die Brikettfabrik Louise?

Im Andenken an einen alten Freund Peter Kroll, der am 06. September 2022 verstarb. Peter und Dieter kennen sich bereits seit 1988, der Zeit als er Klassenlehrer der Tochter von Peter Kroll war. 1991 führten die Lebenswege wieder zusammen. Zu der Zeit vermittelte Peter Wärme- und Lichtschutzfolien für die Fenster der Schule in Wahrenbrück. In den 90er Jahren begann der Aufbau der Schülerakademie und des Technischen Denkmals Brikettfabrik Louise. Das führte Familie Anders mit Frau Schönmuth, Herrn Bartholomäus, Herrn Füssel und wieder mit Peter Kroll zusammen. Ab März 1998 erfolgte dann der reguläre Unterricht in der Brikettfabrik Louise.

Als es um die Zukunft der Sammlung ging, kam von Familie Anders der Vorschlag, diese der  Brikettfabrik Louise als Dauerleihgabe zu überlassen. Im Frühjahr 2022 machte Dieter Peter dann den Vorschlag, den dieser freudig annahm. Auf der Suche nach einem geeigneten Ausstellungsort stand für Peter Kroll schnell fest, die Kaue. Er öffnete damit Familie Anders die Tür, wofür diese ihm dankbar ist. Auch den Aufbau der Sammlung begleitete er mit Rat und Tat.

Wie lässt sich diese Sammlung nutzen?

Familie Anders denkt, Schülerakademie und Technisches Denkmal Brikettfabrik Louise sollten gemeinsam ein Nutzungskonzept erarbeiten. Zugeschnitten auf Schüler, Erwachsene, Touristen. Auch Öffentlichkeitsarbeit sollte eine Rolle spielen. Dieter Anders erklärte sich in seiner Rede gern zur Mitarbeit gern bereit. Gleichzeitig geht sein Dank für die Unterstützung beim Einrichten der Ausstellung in der Kaue an:
  • Herrn Gerlach der die Fäden in der Hand behielt.
  • Dem Bauhof mit Herrn Gahse und seine Kollegen für den Transport der Möbel am
    17. Januar 2022.
  • Herrn Tschischka für die Sichtung, was aus dem Bestand an Schaukästen und der Gesteinssammlung der ehemaligen Schule Uebigau noch verwendbar war. 
  • Den Mitarbeitern der Brikettfabrik Luise, Frau Waschfeld, Herrn Kurras, dem Elias und Jonas, die Aufbauhilfe leisteten.
Abbildung 7: Die fleißigen Helfer vom Aufbau der Sammlung in der Kaue.
  • Den Mitarbeiterinnen der Schülerakademie, Frau Schönmuth Frau Kurras, Frau Berger, die die Küche zur Verfügung stellten, ab und zu mit Gaumenfreuden unterstützten und den Zugang zur Werkstatt ermöglichten.
  • Seiner Frau Christel für die Schreibarbeiten und die Arbeit am Computer.
  • Seinen Kindern und Schwiegersöhnen für ihre Hilfen.
  • Den beiden Enkeln Vivien und Finn für ihre vielen Fragen und die leuchtenden Augen bei der Betrachtung der Schätze.
Zu guter Letzt hat Dieter Anders ein Gastgeschenk mitgebracht. Es handelt sich um Dubletten von Gesteinen und Mineralien im Wert von 1 500,- Euro, die verkauft werden können. Den Erlöst sollen sich bitte hälftig Schülerakademie und Brikettfabrik Louise teilen. Die weiteren Worte gingen erst mal im allgemeinen Beifall der Gäste unter. Sein Wunsch zum Schluss: „Schauen Sie sich um. Fragen Sie mir Löcher in den Bauch und über einen Eintrag in Gästebuch würde ich mich freuen. Ihnen/Euch herzlichen Dank fürs Kommen und mein Wunsch ist, werdet steinalt und bleibt dabei gesund. Danke“

Bei einem kleinen Buffet gab es viele interessante Gespräche. An den Vitrinen wurden besonders wichtige Fundstücke erläutert und Anekdoten über die Fundumstände machten die Runde.

Und was gibt es nun zu entdecken?

Hier eine kleine Auswahl an Fundstücken. Gesteine wie das Konglomerate von Beiersdorf, Achat- Jaspis aus Mühlberg/Elbe und vielen anderen Orten aus den Altkreis Bad Liebenwerda. Kalmar-Sandstein, Fundort Wildgrube, verkieselte Grauwacken mit Kristalldrusen vom Rothsteiner Felsen oder rote Feuersteine von Helgoland.
Abbildung 8: Vitrine mit Helgoländer Feuersteinen.
Verschiedene bunte Salzgesteine. Lavaproben vom Ätna, Magmen wie Tuffitte, Tephrit, Lapilli, Andesite wie Dobritzer Quartzporphyr, Phonolit, der auch Klangstein genannt wird, Basalt-Mandelstein oder die vulkanischen Gläser Obsidian, Pechstein und Kugelpechstein. 
Plutonite wie grüne Smaragd-Allalin-Gabbros, ein Tiefengestein aus der Schweiz, Diorit und verschiedene Granite, zum Beispiel Rapakiwi.
Verschiedene Metamorphe Gesteine wie Gneise, bunte Marmorarten, beispielsweise Alabaster oder Dolomit, verschiedene Ton- und Glimmschiefer, wie der Bündener Schiefer, Quarzite,
Ophicalcite u.v.m.

Auch zu sehen, die Hydrothermalgesteine, grüner Unakit und Skarn als eiszeitliches Geschiebe aus Skandinavien.

Fossilien aus vielen Erdzeitaltern. Beispielsweise inkohlte Zapfen, Hölzer, Kohleproben und Blättertone aus dem Tertiär.
Abbildung 9: Blätterton mit Eichenblattresten.
Aus dem Karbon Bohrproben mit Pflanzenresten der Anthrazitkohle aus dem Steinkohlenbergwerk in Kirchhain, Reste vom Schuppenbaum, ebenfalls aus dem Karbon.
Abbildung 10: Bohrproben aus dem Anthrazit-Bergbau
 von Doberlug-Kirchhain.
Versteinertes Holz aus dem Zechstein von Chemnitz oder ein Stück eines versteinerter Farnstamm. Gesteinsproben aus dem Lias/Jura und verschiedene kreidezeitliche Muscheln, Seeigel, Korallen, Schwämme und Belemniten. Ein versteinerter Grabgang aus Dänemark.

Farbenfrohe Mineralien und Halbedelsteine aus Mitteleuropa und vielen Teilen der Welt, wie Calcite, Chalcetone, Aragonit, Lapislazuli, Amethyste, Azurit, Rauchquarze, viele Bergkristalle und vielfältige bunte Achate, Epidot, Rubin, Fluorit, Apatit, Titanit, Turmalin, Halb-Opale, ein Zepterquarz, Labradorit, selbst ein kleiner Smaragd und ein ungewöhnlicher Gips u.v.m.
Abbildung 11: Farbiger Gipskristall.
Doch nicht nur die Ausstellung ist sehenswert. Auch Prozesse werden erklärt. Beispielsweise wie entsteht aus verwitterten Gesteinen Ackerboden? Eine Sammlung verschiedener Sandarten macht deren Vielfalt und Herkunft deutlich. In kleinen Röhrchen liegen Proben von Material was vom Eisenerz nach der Verhüttung übrig bleibt. Einfach anschaulich. Und selbstverständlich auch weiße Kaolin-Erden. Das Material mit dem alles begann.
Abbildung 12: Sammlung an Gesteinsproben zur
Veranschaulichung vom Verwitterungsprodukt
zum Ackerboden.
Auch zu sehen, Werkzeuge des Bergbaus und selbst der historische Holzpantoffel eines Bergmannes sind dabei. Ein wichtiger Beleg für die schwere Arbeit der Bergleute.
Abbildung 14: Holzpantoffel eines Bergmannes.
Es ist natürlich unmöglich hier alles aufzuzählen was zu sehen ist. Das ist nur ein kleiner Abriss dieser Ausstellung.

Eine Bilanz

Ein wichtiges Fazit der Eröffnungsveranstaltung bleibt, diese Sammlung ist in der Niederlausitz und insbesondere im Landkreis Elbe-Elster etwas ganz Besonderes. Ihr Bildungswert ist unbestritten. Viele der Fundstätten in der Region sind heute nicht mehr zugänglich, weil Bebauung, fortschreitende Bergwerkstätigkeit, Rekultivierung oder Besitzerwechsel das unmöglich machen. Damit ist sie auch ein Stück Bergbaugeschichte der Region. Familie Anders hat mit dieser Ausstellung einen wichtigen Pflock in das Wissen um die Regionalgeologie eingeschlagen. Sie hat mit den Partnern der Schülerakademie, der Gemeinde Wahrenbrück, dem Amt Wahrenbrück-Uebigau und dem Technischen Denkmal Brikettfabrik Luise, für die Allgemeinheit ein wichtiges Fenster in das Wissen um die Erdgeschichte geöffnet.

Wer sich das ansehen möchte, Anmeldung in der Brikettfabrik Louise. Und Teilnahme an einer kleinen Führung lohnen sich immer.

Quellen:

Rede von Dieter Anders anlässlich zur Übergabe und Eröffnung der Geologischen Sammlung in der Kaue.

Internetseite des Technischen Denkmals Brikettfabrik Luise.

Fotos: V. Kock, Finsterwalde /Niederlausitz

Mehr Fotos zur Vorbereitung der Ausstellung auf der Internetseite „Mit 8 Megapixeln durch die Niederlausitz“.
Link: http://velthurvik.blogspot.com

Vel Thurvik, Mit 8 Megapixel durch die Niederlausitz.

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