Montag, 7. Juli 2025

Kleinkrausnik, kleines Dorf mit großem Museum - Niederlausitzer Entdeckungen -

 Tag der offenen Tür im Dorfmuseum Kleinkrausnik


Für ein Dorf mit etwas über 100 Einwohnern ist es schon ein erstaunlich umfangreiches Museum geworden, was da am Sonntag den 25. Mai 2025 seine Türen öffnete. Was hier Norbert Zach, ehemaliger Eisenbahner und Fernmeldetechniker, zusammengetragen und aufgebaut hat, lässt zur Dorfgeschichte kaum Wünsche offen. Grund und Gelegenheit genug um einen fotografischen Streifzug durch die Räume und die Geschichte zu machen.

Foto 01: Dorfmuseum Kleinkrausnik in der Dorfstraße Nr. 5.
Kurz nach 13:00 Uhr, stehen die ersten Besucher in der Tür. Es sind Kinder aus Kleinkrausnik. Die Fahrrädern lehnen an den Gestellen neben der Tür. Aus naheliegenden Gründen werden die Kinder nicht fotografiert. Freundlich begrüßt Norbert die Beiden und führt geduldig durch die Räume.
Foto 02: Im Eingangsbereich, typische landwirtschaftliche Geräte.
Gleich im Eingangsbereich empfangen die Besucher typische Werkzeuge und Geräte einer Bauernwirtschaft der letzten beiden Jahrhunderte. Gegenüber an der Wand, historische Fotografien ehemaliger Dorfansichten. Schon mal ein Hingucker.

  Foto 03: Historische Kleinkrausniker Dorfansichten.
Auf dem Tisch gegenüber befinden sich Unterlagen aus der Landwirtschaft des letzten Jahrhunderts und späteren Kollektivierung der 50er und 60er Jahre.

Foto 04: Dorfmuseum Kleinkrausnik, Fluransicht.

Foto 05: Bäuerliche Unterlagen: Muttertierkarte, Stallbuch, Liste der Milchkannen.
Daneben an der Wand zwei farbige Grafiken mit Ansichten eines Kleinkrausnikers Bauerngehöftes. Übrigens zwei sehr bekannte Grafiken. Beide entstanden 1916 hier in Kleinkrausnik.

Foto 06: Eine der zwei Grafiken eines Dorflehrers aus Kleinkrausnik.
Nebenan in der „Guten Stube“ des Museums sind die beiden Kinder vom historischen Fahrrad, seiner Karbidlampe und einer Holzfelge fasziniert.

Foto 07: Historisches Fahrrad mit Karbit-Lampe der Fahrradfabrik Reichenbach in Elsterwerda, der Marke Ägier. Am Lenkrad eine Holzfelge.
Auch die alten Fotos und militärischen Unterlagen von Soldaten aus dem 19. Jahrhundert interessieren sie.


Foto 08: Soldat aus Kleinkrausnik und seine Teilnahme an den Einigungskriegen 1864, 1866 und 1870/71.

Foto 09: Dorfmuseum Kleinkrausnik. Blick in die Gute Stube.

Foto 10: Dorfmuseum Kleinkrausnik. Die Gute Stube von den Ortschroniken über die Schule zur Feuerwehr. 
Danach wecken die Spielsachen auf dem Stubentisch das Interesse.

Foto 11: Die Gute Stube mit Glasvitrine, darin Fotos und historischen Militärdokumente. Rechts auf dem Stubentisch alte Spielsachen.

Foto 12: Auf der Couch dahinter, Musikinstrumente der
ehemaligen Dorfkapelle und Hausmusik.
Während Norbert weiter geduldig durch die Stube führt und Fragen beantwortet, Gelegenheit für einen fotografischen Abstecher in die gegenüber liegende historische Küche. Es ist ein Mix aus verschiedenen Zeiten. Doch dieser vermittelt einen Eindruck einer weniger vom Konsum sondern Pragmatismus geprägten Kochwelt.

Foto 13: Dorfmuseum Kleinkrausnik. Historische Küche im Stil-Mix.

Foto 14: Die Kochecke mit Regal und Waschgelegenheit.


Foto 15: Küchentisch am Fenster mit Regal und Küchenwaage.
Natürlich gehören historische Kochbücher auch dazu.

Foto 16: Allgemeines Wiener Kochbuch vom Anfang des 19. Jahrhunderts.
Ein Sonntagnachmittags-Kaffeetisch ist in der Küche hübsch eingedeckt. So lecker wie er aussieht, so wenig ist er essbar, verrät Norbert schmunzelnd in der Tür stehend sein Geheimnis. Der Kuchen ist aus Beton. Die Farbe eine eigene Mischung. Glänzt bis heute wie gute echte Schokolade.

Foto 17: Hübscher Kaffeetisch mit Schokorührkuchen. Lecker aber nicht essbar.

Nettes Detail: Historisches Küchenradio auf dem Fensterbrett.
Foto 18: Nettes Detail: Historisches Küchenradio.
Schnell sind 30 Minuten vorbei, die Kamera um über 60 Fotos voller und die Kinder ziehen wieder davon. Leer bleibt es nicht. Kurz drauf stehen die nächste Besucherin in der Tür. Eine Bekannte aus Kleinkrausnik.

Foto 19: Führung durch die Bürokratie der historischen Landwirtschaft.
Gegen 15:00 Uhr hat es draußen angefangen zu regnen, was erst auffällt als ein Besucher reichlich nass in der Tür steht. Trotz Regen ist er mit dem Fahrrad gekommen.

Foto 20: Weitere Besucher sind eingetroffen.

Foto 21: Die Ausstellungsstücke auf dem Stubentisch werden erklärt.
Eine der Besucherinnen hat eine Kaffeetasse mitgebracht. 10. Country-Fest 2005 in Kleinkrausnik, ist darauf zu lesen.

Foto 22: Tasse zum 10. Country-Fest Kleinkrausnik
des Country-Danc-Club 
Red Eagle e.V.
Trotz vieler Sammelstücke in der gut ausgestatteten Küche, dass hat Norbert Zach doch noch nicht. Die Freude ist sichtlich groß.

Foto 23: Rückseite der Tasse vom 10. Country-Fest
Kleinkrausnik.

Weiter geht es durch die Gute Stube.


An der Ostseite der Stube befinden sich einige Eisenbahnerinnerungen. Dazu auch die persönliche Eisenbahneruniform von Norbert aus der Zeit der ehemaligen Deutschen Reichsbahn.

Foto 24: Totale von der Eisenbahn-Seite in der Guten Stube.
Auf und unter dem Tisch hat sich allerlei historische Telefontechnik angesammelt. Hier schlägt zweifellos der ehemalige Beruf durch. Kommunikationstechnik war immer das Rückrat der Eisenbahnen.

Foto 25: Eisenbahn-Kommunikationstechnik vom Signalhorn, über Petroleum-Signallampe bis zu BASA-Telefonen für verschiedene Zwecke.

Foto 26: Historischer Kommando-Schrank.
Sein Zweck, manuelle Vermittlung von
Telefongesprächen. Links oben eine Siegelzange.
Dazu Reichsbahn-Embleme, Schulterstücke
und eine 4,5 Volt Taschenlampe mit Farbscheiben.
Rechts eine Fernmeldebauvorschrift wovon es noch
mehr gibt.
Norbert kennt sie alle und kann zu jedem Gerät etwas Interessantes erzählen.

Eine Besucherin überreicht Norbert eine Blume als Dank für die viele Mühe. Der freut sich.

Foto 27: Auch das gehört in Kleinkrausnik dazu, Anerkennung
und wenn es mit einer Blume ist.
Am Fenster zur Straße hin befinden sich historische Schulunterlagen. Interessant mit was so in der Vergangenheit gelehrt wurde.

Foto 28: Schulliteratur aus dem letzten Jahrhundert.
Besonders interessant, eine historische lederne Federtasche eines Schülers. Aus welcher Zeit lässt sich nicht mehr genau feststellen. Doch zweifellos hat der Inhalt nicht nur einen Schüler überlebt.

Foto 29: Schüler-Federtasche Anno? 
Neben der Tür hängt die Kopie einer uralten Urkunde zu sehen. Die Ersterwähnung von Kleinkrausnik 1486.

Foto 30: Detail am Rande, ein kleines Tintenfass. Schreiben war in der Vergangenheit eben aufwändiger.

Foto 31: Ganz oben, Urkunde mit Ersterwähnung von
Kleinkrausnik 1486.

Norbert erklärt den Gästen welche verschieden Namen das Dorf im Laufe der Jahrhunderte mal trug. Einige klingen merkwürdig. Sind jedoch dem altdeutschen oder slawischen Sprachgebrauch geschuldet. Es stellt sich heraus, allein die verschiedenen historischen Ortsnamen sind schon eine Geschichte wert. Und die weiß Norbert mit sachter Stimme gut zu erzählen. Bald wird klar, er hat ein erstaunliches Wissen und kann zu fast jedem Ausstellungsstück Geschichte praktisch vermitteln und Geschichten erzählen. Ist das nicht mehr als genug Stoff für ein Buch zum Ort und dessen Geschichte? Norbert greift in ein Regal an der Wand und zieht ein Buch heraus. Das gibt es schon, meint er und weißt auf den Tisch mit der Spendenkasse.

Foto 32: Buch und Ansichtskarte über Kleinkrausnik.

Herausgegeben von Norbert Zach, das Buch über Kleinkrausnik. Dazu eine Ansichtskarte des Ortes. Kurz darauf hat eine Besucherin ein Buch erworben.
Ein gar nicht so dünnes Buch. Und beim durchblättern wird die darin steckende Recherchearbeit schnell klar.

Neben einem Original Feuerwehranzug steht eine historische Vereinsfahne des Kleinkrausniker Radfahrvereins.

Foto 33: Feuerwehranzug der 40er und
50er Jahre des letzten Jahrhunderts.
Daneben Uniform und historische
Kleinkrausniker Feuerwehrtechnik.

Foto 34: Vereinsfahne des Radfahr-Vereines
Kleinkrausnik 1912.
Auf das Fensterbrett haben es Mitgliedsbücher, Orden und Abzeichen verschiedener Organisationen aus der DDR der 50er bis 70er Jahre geschafft. Interessant was auf dem Dorf so an Organisationen existierten. Über dem Fenster hängt eine DDR-Pionieruniform samt blauen Halstuch.

Foto 35: Alte Schulzeiten und Dokumente
von DDR-Organisationen, wie sie im Dorf
mal vorkamen.

Wie kommt man auf so eine Idee?


Man muss schon ein gesundes Maß an Verrücktheit besitzen, Dorfchronist sein und  ungenutzten Platz auf dem Grundstück haben, um so eine Idee in die Tat umzusetzen. Aspekte die bei Norbert offenbar günstig zusammenfielen. Wenn dann noch begeisterte Mitstreiter hinzu kommen und letztlich ein ganzes Dorf bereit ist, Böden, Keller und Scheunen nach interessanten Dingen zu durchsuchen, muss ja so etwas klappen, oder. Hat es auch, wie die Fotos zeigen.
Wie das Museum entstand, seine Eröffnung am 27. Juli 2022 und wie man als Eisenbahner auf so eine Idee kommt, ist auf der Internetseite der Stadt Sonnewalde beschrieben. Siehe hier: Stadt Sonnewalde, Dorfmuseum Kleinkrausnik

An einer Wand hängen handgezeichnete bunte Flurkarten von Klein Krausnick und Umgebung. Sie stammen aus einer Zeit als die Eisenbahnen daran arbeiteten Berlin mit Dresden und zwei Königreiche zu verbinden. Natürlich gibt es auch dazu Geschichten. Und die Bauzeiten der Eisenbahnen? Traumhaft kurz. Es war offenbar eine Zeit als Entscheidungen klar, Diplomatie geschickt und finanzieller Ausgleich noch vernünftig gestaltet waren. Widerstand gegen die Eisenbahn gab es keinen, dafür aber Arbeitsplätze.

An der Westseite steht ein großer Handwagen mit einem Schild „Blingänger …“.

Foto 36: Handwagen aus Fluchtzeiten. Beleg
eines bedrückendes Kapitels.

Mit samt der Vitrine daneben und den Karten an der Wand, stellen sie ein Kapitel einer scheußlichen Zeit dar. Krieg und Vertreibung. Mehr dazu findet der Leser im Buch über Kleinkrausnik. Auch einiges über die eigene Familiengeschichte von Norbert.

Weiter geht die Zeitreise in der Tischlerwerkstatt, die später auch Fahrradwerkstatt und Bastlerstube war. Teilweise merkwürdig anmutende Werkzeuge und Maschinen sind da auf der Tischlerwerkbank oder Hobelbank zu sehen. Ihr Zweck erschließt sich nicht sofort. Doch Norbert hat zu jedem Werkzeug eine Erklärung. Auch zu den merkwürdigen Hobeln. Siehe Foto weiter unten.

Foto 37: Werkbank mit verschiedenen historischen Werkzeugen und Messgeräten.

An der Wand ein Zimmermanns-Zirkel, Zeichnungen und Beschreibungen zur Anfertigung von Treppen sowie anderer Holzarbeiten. Auch ein passende Fachbuch ist noch erhalten geblieben. Auch hier gibt es einiges zu entdecken.

Foto 38: Etwas wurmstichig, Rundhobel.

Foto 39: Fitschen Eisen zum ausfräsen von rechteckigen Zargen.
Natürlich hat auch hier Norberts Beruf hier seine Spuren hinterlassen. Leicht zu erkennen an den verschiedenen historischen Messinstrumenten der Elektro- und Kommunikationstechnik.

Foto 40: Historische Messtechnik in der Kommunikationstechnik vergangener Zeiten.
Auf er anderen Seite in der Werkstatt stehen alte Fahrräder und Teile davon. Die Tischlerwerkstatt dient später auch als Werkstatt für Fahrräder, Mopeds und Motoräder.

Foto 41: Frage: Wie hobelte man in früheren Zeiten eigentlich Treppenabsätze? Norbert Zach hält im Museum eine Erklärung dafür bereit.

Oder was mag das für eine Maschine sein?

Foto 42: Etwas ganz banales, aber für Raucher
sehr wichtig, eine Tabakschneidemaschine.
Auf er anderen Seite in der Werkstatt stehen historische Fahrräder und Teile davon. Die Tischlerwerkstatt dient später auch als Werkstatt für Fahrräder, Mopeds und Motorräder. Doch das ist ein Kapitel für sich und würde den Rahmen hier sprengen.

Mittendrin fällt ein Kinderwagen mit Inhalt auf. 

Foto 43: Mitten in der Werkstatt eine kleine Kinderabteilung mit Utensilien des Kindertransportes. 

Allein an Hand der vorhanden Technik und Werkzeuge könnte zweifellos ein abendfüllender Vortrag entstehen. Vielleicht eine Idee für eine interessante Veranstaltung.

Um alle Ausstellungsobjekte hier darzustellen, reicht ein Blog bei weitem nicht. Grob überschlagen dürften es etwa 900 Ausstellungsstücke sein. Selber mal ansehen, ist also angesagt. Wer hier eine streng wissenschaftlich-historisch geordnete Ausstellung erwartet, täuscht sich. Es ist ein Spiegel mühsamer Arbeit und des Lebens der Menschen auf dem Lande. Echt eben. Und das macht genau den Reiz dieses Dorfmuseums aus.

270 Fotos später ist die Sonderöffnungszeit vorbei. Viel zu kurz, wie sich herausstellt. Draußen hat es hat aufgehört zu regnen. Noch ein kurzer Rundblick in den Ort, dann geht es zurück an den Computer.

Wie und wann ist das Dorfmuseum geöffnet?


Norbert Zach führt nach Vereinbarung durch das Dorfmuseum (Telefon: 035323-61119, E-Mail: zachnorbert@aol.com). Es gibt aber auch Sonderöffnungstage. Diese sind der örtlichen Presse und der Internetseite der Stadt Sonnewalde zu entnehmen. Vorher Anmelden ist sinnvoll und Zeit mitbringen unumgänglich. Doch es lohnt sich.

Freitag, 25. April 2025

Neuigkeiten aus dem Gemüsebeet – Niederlausitzer Fundstücke -

Von historischen Münzen und Werkzeugen der Steinzeit aus dem Frühlings-Beet


Es gibt immer etwas zu entdecken, selbst auf dem kleinsten Stück der Welt, hat mal ein kluger Mensch gesagt. Das ist schon ein paar tausend Jahre her. Recht hat er aber immer noch. Und ein ordentlicher Regen macht Entdeckungen schon mal leichter. Zumindest im Garten. Ergebnis sind einige kleine Steinwerkzeuge und inzwischen zwei Münzen.

Foto 1: Übersicht der Fundstücke aus dem Gemüsebeet.

Auf dem Foto 1 sind mal die Fundstücke der letzten beiden Jahre zusammengefasst. Rechts ein paar Feuerstein-Schaber zum abschaben von Leder. Dazu kleine Pfeilspitzen zur Vogeljagd oder sonstiger Kleintiere. Oben rechts schwarz noch mal ein Schaber aber nicht aus Feuerstein sondern Kieselschiefer. Durch Verwitterung hat er seine Abschlagskanten weitgehend verloren.

Oben ein links kleines Stück geschmolzenes Glas. Kein Splitter sondern ein flacher Glastropfen. Offenbar bei der Glasherstellung übrig geblieben.

Links die beiden Münzen. Die untere französische Münze mit dem Loch wurde hier bereits vorgestellt. Zur oberen gleich mehr.

Foto 2: 50 Reichspfennige aus dem Jahr 1922, Vorderseite.

Eine sehr häufige Gebrauchsmünze aus Aluminium. Wurde etwas über 45 Millionen mal geprägt. Diese Art von Reichpfennigen wurden von 1918 bis einschließlich 1922 heraus gegeben. Sie waren aber danach noch lange gebräuchlich. Nur während der Inflationszeit hatte sie naturgemäß an Bedeutung verloren.

Foto 3: Rückseite der 50 Pfennig-Münze, mit Adler-Symbol und dem Spruch „Sich regen bringt Segen“. Wichtig: Unter dem Adlerschwanz ist ein A zu erkennen. Das hebt die Münze von dem Sammlermünzen und Sonderausgaben ab.

Durch die sehr lange Zeit im Gartenboden ist die Münze stark verkrustet und beschädigt. Einen materiellen Wert stellt sie also nicht dar.

Wer mehr über die Münze wissen möchte, hier ein Link zu Informationen: Numista

Über die Herkunft der Feuersteinartefakte lässt sich leider nichts Konkretes ermitteln. Unter den Beeten befindet sich der Schwemmfächer eines Gletschers, was die Gerölle und Feuersteine gut belegen. Darunter die feuersteinfreie Kieslagerstätte des zweiten Senftenberger Elbeverlaufes im Pliozän (Tertiär). Da die Kleingartenanlage seit über 100 Jahren in Nutzung ist und möglicherweise ein Bodenaustausch stattgefunden hat, ist eine Herkunft nicht feststellbar. Trotzdem bleibt es spannend was der Kleingärtner außer Gemüse so alles noch ernten kann. Es lohnt sich also diese kleine Stück der Welt im Auge zu behalten. Sehen wir also hin.

Dienstag, 22. April 2025

Gottes Schrift in der Calauer Herrenheide? – Niederlausitzer Fundstücke -

Schriftgranit: Vom Stein der eigentlich ein Kristall ist.


Nein das hier ist kein „Calauer“. Das ist echt, denn ein Lichtreflex im abendlichen Sonnenlicht führte zum Fundstück auf einem Lesesteinhaufen. Der Grund, der gut reflektierende Stein stellt sich bald als Kristall heraus. Wie das?

Gesteine bestehen aus einer Mischung verschiedener Mineralien. Diese liegen sehr oft in verschiedenen Kristallformen vor. Darunter gibt es Gesteine, die fallen allein schon durch ihre merkwürdige Oberfläche auf. Schriftgranit gehört dazu.

Foto 1: Schriftgranit-Fund aus der Herrenheide bei Calau.
Sollten alte germanische oder slawische Völker ihre schriftlichen Zeugnisse an einem Waldrand bei Calau hinterlassen haben? Oder handelt es sich tatsächlich um die Schrift Gottes in Hebräisch? Sehen wir uns die Sache mal an.

Anfang 2025 gesellte sich am Feldrand von Craupe ein weiteres Fundstück dazu.

Foto 2: Schriftgranit von Craupe.
Kurze Zeit später im März, ein größerer Schriftgranit an einer Feuerstelle am Bergheider See. Also selten ist Schriftgranit nicht aber ungewöhnlich schon, wie wir gleich sehen werden.

Foto 3: Schriftgranit-Fund vom Bergheider See. Die Schwärzung geht auf die Feuerstelle zurück. Unmittelbar darüber befindet sich ein kleiner Einschluss aus Granit. Ein sogenannter Xenolith.
Bei unseren beiden Fundstücken aus der Nähe von Calau und Craupe, ist der Schrifteindruck nicht so gut ausgeprägt. Mit viel Phantasie könnte man aber auch hier an verzerrte Runen, mesopotamische Keilschriftzeichen oder noch besser, die hebräischen Schriftzeichen der Qumran-Schriftrollen denken. Für Letztere finden sich in den beiden Fundstücken gleich mehrere Buchstaben wieder.

Foto 4: Fundstück bei Calau. Mit etwas Phantasie sind hier der Buchstabe Zaijin ז für s, der Buchstabe Chet ח für ch und Buchstabe Nun נ für n des alten hebräischen Alphabetes zu erkennen. Letzterer wird auch im modernen Arabischen als Nun für n verwendet.

Foto 5: Einige Beispiele zum Hebräischem Alphabet zum Vergleich.


Mit etwas Phantasie lässt sich die Liste der hebräischen Schriftzeichen auf den folgenden Fotos noch um die Buchstaben Daleth ד für D, Gimel ג für G und Taw ת für T oder th ergänzen. Doch es ist alles nur Täuschung. Warum?

Foto 7: Fundstück von Calau. Gedanklich muss man die Schriftzeichen etwas drehen um sie auf den Fundstück zu erkennen.
Foto 8: Zeilenartiges Schriftbild im Schriftgranit von einer Feuerstelle am Bergheider See (Lichterfeld).

Was ist Schriftgranit?


Schriftgranit ist ein natürliches, sogenanntes Pegmatitisches Gestein, mit einem besonderem Mineralgefüge. Zum Begriff Pegmatit gleich mehr.
Bei unseren Fundstücken besteht die Zusammensetzung aus ca. 30 Prozent Quarz und etwa 70 Prozent rosa oder rötlichem Kalifeldspat. Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und ungewöhnlichen Eigenschaften, tritt er als einzelner Kristall (Monokristall) auf. Das erklärt auch seine guten Reflektionseigenschaften.

Foto 9: Reflexion auf den Oberflächen der Kalifeldspäte links.


Wie sind unsere Schriftgranite entstanden?


Steigt Magma in der Erdkruste auf, kommt es gelegentlich vor, dass es die Erdoberfläche nicht erreicht. Es bleibt in der Erdkruste schlicht stecken. Ein sogenannter Pluton entsteht.

Abbildung 1: Vereinfachte Skizze eines Granit-Plutons.
Nähere Informationen was ein Pluton ist und wie er entsteht sind hier zu finden: Plutone

Der nun einsetzende langsame Abkühlungsprozess des Magmas läuft nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten ab. Sie sind abhängig von der Zusammensetzung des Magmas, den Druck- und Temperaturverhältnissen, dem Mengenverhältnis der Minerale zueinander und dem Wassergehalt. Dieser Prozess nennt sich Magmatische Differentation. Wer mehr dazu wissen möchte findet hier weiterführende Informationen: Magmatische Differentiation

Wasser spielt übrigens eine wichtige Rolle. Es steht im Pluton unter hohem Druck, ist im Magma gelöst und oft in den Mineralen chemisch gebunden.

Zuerst kristallisieren aus dem Magma die dunkleren und dichteren Minerale aus. Da sie einen höheren Kristallisationspunkt haben, bilden sie schon bei höheren Temperaturen Kristalle aus und setzen sich meist unten im Pluton ab.
Da der Abkühlungsprozess langsam erfolgt und mit sinkenden Temperaturen Schrumpfungsprozesse im Magma einsetzen, haben die Minerale mehr Zeit und Platz sich günstige Positionen im atomaren Kristallgitter zu suchen und damit größere Kristalle zu bilden. Es entstehen gut sichtbare Minerale. Meist sind es helle Gesteine wie Granite und Granodiorite, seltener dunklere Syenite und basische Gabbros.

Bei der Bildung der Kristalle wird das Wasser nicht gebraucht. Folglich steigt im verbleibenden heißen Magma der Wassergehalt an. Es entwickeln sich heiße magmatische Lösungen mit der Neigung zum Riesenwachstum. Ab einer Kristallgröße von etwa drei Zentimetern sprechen die Geologen dann von Pegmatiten.

Foto 10: Pegmatit aus rotem Kalifeldspat und blaugrauem Quarz. Fundort Kunersdorf (SPN) 1973. 
Deren Kristalle können Größen von Dezimetern bis mehreren Metern erreichen. Je nach Zusammensetzung gibt es verschiedene Pegmatite. Schriftgranit ist ein solches Pegmatit, aber mit einer besondere Entstehungsgeschichte.

Ist der Abkühlungsprozess im Pluton so weit fortgeschritten so das die meisten Mineralarten auskristallisiert sind, verarmt die Schmelze an Mineralen bis meist nur noch eine heiße, wasserreiche Schmelze aus Feldspäten und Quarz übrig bleibt. In unseren Schriftgraniten von Calau, Craupe und Bergheider See sind es Kalifeldspat (rosa) und Quarz (grau). Beide Minerale sind die mit dem niedrigsten Kristallisationspunkt. Wobei Feldspat hier noch eine besondere Form an nimmt. Er liegt als sogenannter Mikroklin vor, der Idealform der Kristallisation von Feldspat-Kristallen. Mit bloßem Auge oder Lupe ist der Unterschied zu übrigen Feldspäten nicht zu erkennen. Da solche Untersuchungen besondere Technik erfordern, soll es für unsere weiteren Betrachtungen keine Rolle spielen.

Dafür haben sich in unseren Fundstücken einzelne Glimmerplättchen gerettet. Es handelt sich um Muskovit, auch als Hellglimmer bezeichnet.

Foto 11: Fundstück von Craupe. Kleine Muskovit-Minerale mittig im Foto. Sie sind an ihrem silbrigen Glanz erkennbar.
Zwar haben beide verbleibende Mineralarten unterschiedliche Kristallisationspunkte, doch unter dem noch hohen Druck im Magmakörper und beim erreichen eines bestimmten Mengenverhältnisses zueinander, gleichen sich die Kristallisationspunkte von Quarz und Kalifeldspat an. Je nach Druckverhältnissen ist das typischerweise im Temperaturbereich von etwa 650 °C bis 700 °Celsius der Fall. Geologen sprechen dann vom Entstehen einer „Eutektischen Schmelze“. Siehe Grafik oben.

Eutektisch ist altgriechisch und bedeutet eu- gut, teko schmelzen. Einer Schmelze die überwiegend aus zwei unterschiedlichen Mineralen besteht und deren Komponenten sich im Gleichgewichtszustand zueinander befinden.

Sinkt die Temperatur nun noch geringfügig weiter, wird der sogenannten Eutektische Punkt der Gesteinsschmelze unterschritten. Als Folge kristallisieren beide Mineralarten schlagartig gleichzeitig aus. Es bilden sich also verschiedene Mineralkörner bei gleichem Kristallisationspunkt, die zu einem einzigen Kristall zusammenwachsen. Der oben erwähnte Monokristall ist entstanden.

Foto 12: Rückseite vom Fundstück am Bergheider See. Fast netzartig durchziehen die grauen Quarzminerale die Grundmasse aus hellem Kalifeldspat. Besonderheit hier, die Quarzminerale sind in drei verschiedene Richtungen eingeregelt. Das zeigt das beim Erstarren die Eutektischen Schmelze sich in einer Fließbewegung befand.
Quarz bricht in der Regel muschlig, bogenförmig und irregulär, Kalifeldspat dagegen geradlinig entlang seiner Kristallgitter. Wegen des Mengenverhältnisses und der engen Verbindung der beiden Minerale, überwiegt der Bruch entlang gerader Flächen. Das hebt die Kristallform des Schriftgranits hervor und erklärt die gute Reflektion in der Abendsonne.

Foto 13: Fundstück bei Calau. Gut zu sehen, bestimmend für den Bruch ist der Kalifeldspat.
Mittig einzelner gut reflektierender Kalifeldspatkristall.
Quarz hat die Neigung stänglige oder nadelige Kristallstrukturen zu bilden, Kalifeldspäte eher massige dickere Kristalle oder Kristallgerüste. Als Folge entsteht das runenartige Bild im Monokristall, das an historische Schriftzeichen erinnert.

Wir sehen also, unser Schriftgranit ist ein Pegmatit, aber doch mit sehr speziellen Entstehungsbedingungen und Eigenschaften.

Woher kommt unser Schriftgranit?


Pegmatite zählen zu den Gesteinen die sich in einem abkühlenden Pluton meist zuletzt bilden. Folglich entstehen sie oft im Zentrum oder Deckenbereich eines Plutons und treten auch als Gänge in den Klüften bereits abgekühlten Magmas auf. Aber auch in Spalten und Rissen des dem Pluton benachbarten Gesteins, können solche Pegmatit-Gänge auftreten. Damit auch Schriftgranit.

Foto 14: Schriftgranit von Craupe mit einer deutlich scharf abgegrenzten Kontaktzone zum benachbarten granitsichem Pegmatit.
Erreichen solche Plutone später durch Gebirgsbildungsprozesse und /oder Verwitterung die Erdoberfläche, treten sie als Felsen zu Tage. Aufgrund ihrer Bildungsweise im Pluton, haben Quarz und Kalifeldspat gemeinsame spaltbare Eigenschaften. Sie brechen also wie ein Stück vom Felsen ab, behalten deshalb häufig Formen wie ein Kristall.

Da sich wenigstens vier Eiszeiten über die Umgebung von Calau-Kemmen-Craupe walzten, ist anzunehmen das unsere beiden Fundstücke auch deren eiszeitliches Speditionsgut aus Skandinavien sind. Beim Bergheider See-Fundstück dürfte das auch so sein, nur möglicherweise eine Eiszeit weniger.

Skandinavien stellt heute ein Sammelsurium verschiedener sehr alter Kontinentalfragmente dar. In den über 3 Milliarden Jahren seiner Entstehung, Gelegenheit genug Plutone mit granitischen Schmelzen zu bilden und später durch Erosion zu Tage zu fördern.

Von Gottes Wort zur Wissenschaft


Schon im alten Griechenland ist dieses Gestein als "Graphos" (griechisch für Schreiben /Zeichnen) aufgefallen, wurde dort zum ersten Mal beschrieben und zu verschiedenen Schmuckstücken verarbeitet. Hinweise zur Nutzung aus den Steinbrüchen um Answan im Alten Ägypten gibt es ebenfalls.

Mehr Bekanntheit erlangte Schriftgranit als Runenstein oder Runit im ausgehenden Mittelalter. Zu dieser Zeit war die Naturphilosophie stark von der Religion beeinflusst. In einer Zeit als die Menschen wegen ihrer starken religiösen Ausrichtung ständig auf der Suche nach Gottes Worten waren, lag es nahe in den seltsamen Zeichen Gottes Willen zu ergründen. Im 16. Jahrhundert nahm diese Art von Forschung Fahrt auf. Bekannte Gelehrte wie Johann Heinrich Alsted (1588–1638) und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) forschten am Konzept der Symbolik in der Natur. Andere Gelehrte und Theologen stellten ganze Alphabete auf und suchten mit raffinierten Ansätzen nach dem Sinn der Zeichen im Gestein. Es gelang sogar einzelne kurze Worte im Schriftgranit zu identifizieren, was die Menschen damals zweifellos faszinierte, doch einen Sinn ergaben sie nie. Das führte aber nicht zur Resignation sondern neuen Denkansätzen.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts mündete die Naturphilosophie in eine eher rationale Forschung. Mit Georg Christian Füchsel (1722–1773), Ernst Gottlieb von Schlotheim (1760–1832) und den Chemiker und Geologen Alexandre Brongniart (1770-1847) übernahmen namhafte Geologen. Nun wurden die Zeichen im Graphischen Granit, wie das Gestein mittlerweile genannt wurde, als das erkannt was sie tatsächlich sind, Mineralische Bildungen. Das führte zu der Frage nach ihrer Entstehung.

Alexandre Brongniart schrieb im Jahr 1813 über den Granite Graphique in seinem Werk „Essai d'une classification des roches“. Darin führt er eine systematische Klassifikation von Magmatischen Gesteinen ein und beschreibt die besonderen Eigenschaften des Graphischen Granits.

Mit dem Zeitalter der Aufklärung in Europa, wuchs die Neugier am rationalen Verständnis unserer Welt. Als Folge wurde es in Teilen der Gesellschaft Mode Mineral- und Steinsammlungen anzulegen. Etwas was vor Johann Wolfgang von Goethe (1746-1832) nicht Halt machte. Dieser wache Geist schrieb 1814 in seinen bekannten Karlsbader Briefen über seine Streifzüge in der Umgebung seines Kuraufenthaltes und das Auftreten von Schriftgranit in den dortigen Steinbrüchen. Nun schon mit der modernen Bezeichnung. 1827 führte der bekannte Heidelberger Geologe Karl-Cäsar von Leonhard (1779-1862) den Begriff Schriftgranit in die Wissenschaft ein.

Aus der Beobachtung des gemeinsamen Auftretens von Schriftgranit mit Graniten und Pegmatiten, resultierte in der Folgezeit ein besseres Verständnis der Entstehung von Magma. Dazu kamen neue Erkenntnisse in der Kristallographie. 1888 äußerte Sir Jethro Justinian Harris Teall (1849-1924), ein bekannter britischer Geologe, den Verdacht das Schriftgranit ein Ergebnis einer Eutektischen granitischen Schmelze sein könnte.

Mit seinen grundlegenden Forschungen zu Silikatschmelzlösungen, legte Johann Hermann Ludwig Vogt (1841-1898), die Basis für das Verständnis von magmatischen Prozessen und Gesteinsbildung. Schon kurz darauf folgte Alfred Bygden 1906 mit seinen Untersuchungen zum quantitativen Verhältnis zwischen Feldspat und Quarz in Schriftgraniten.

In den nun folgenden 110 Jahren sorgten zahlreiche Aufsätze und wissenschaftliche Abhandlungen für immer neue Erkenntnisse. Sie beschäftigen sich vermehrt mit der Wechselwirkung der Kristalle in Schriftgraniten an deren Grenzflächen. Nicht ohne Grund. Haben doch Eutektische Schmelzen als Verbundmaterialien heute in der Industrie große Bedeutung erlangt. Und mit seiner dreidimensionalen gleichförmig ausgerichteten Anordnung der Minerale im Gestein, fasziniert es bis heute Generationen von Wissenschaftlern.

Wenn es einen Gott geben sollte, so hat er uns mit seiner Schrift im Schriftgranit dazu verführt, uns besseres Wissen über unsere Welt zu verschaffen. Als Mittel diente ihm die uns innewohnende Neugier. Insofern hat er uns mit Schriftgranit auf nicht nur einen Pfad der Erkenntnis geschickt. Wie aktuelle Forschungen zu Grenzflächen zwischen den Kristallen zeigen, ausgeforscht ist Schriftgranit noch lange nicht. Ganz schön clever, oder?

Foto 15: Schriftgranit von Calau, Detailaufnahme mit der typischen kristallographischen Anordnung der beiden Minerale Kalifeldspat und Quarz.

Was bleibt also?


Ein schönes Gestein das ein Kristall ist, mit einer heißen und spannenden Geschichte, die noch nicht zu Ende geschrieben ist.