Montag, 20. Januar 2025

Historischer Schweißumformer von 1940 – Niederlausitzer Fundstücke -

Kjellbergs Eingehäuse-Schweißumformer KU 250

Die Auflösung eines alten Geschäftes bietet ab und zu unerwartete historische Einblicke in die Geschichte unserer Region. So geschehen im Oktober 2024. Torsten Ratke, Chef der BCG Officeconsult in Finsterwalde, kam zufällig an der Beräumung des ehemaligen Wasser- und Heizungsgeschäfts Lilge vorbei. Das Geschäft befand sich in der Langen Straße in Finsterwalde /Niederlausitz. Im Vorbeigehen fiel ihm auf dem Hof ein unförmiges Schweißgerät ins Auge. Seine eisernen Räder deuteten auf ein hohes Alter hin.

Wie aus dem Typenschild hervorgeht, handelte es sich um den Schweißumformer KU 250 der Firma Kjelberg GmbH aus dem Jahr 1940.

Foto 1: Schweißumformer Typ KW 250 der Firma Kjellberg Elektroden&Maschinentechnik GmbH in Finsterwalde.
Kurz darauf trat das Gerät unter lautem Rumpeln seine Reise in Richtung Bahnhof Finsterwalde an.

Einige Wochen später fand sich die Gelegenheit das 85 Jahre alte Gerät zu fotografieren. Wie die anschließenden Fotos zeigen, handelt es sich auf den ersten Blick um eine einfache und sehr robuste Konstruktion. Doch das „Einfache“ dabei sollte sich alsbald als Irrtum herausstellen. Bei den Recherchen zeigte sich ein mit erheblicher Raffinesse konstruierter Schweißumformer, der zum Welterfolg wurde. Mehr dazu weiter unten.

Foto 2: Torsten Ratke bei der Inspektion des KU 250.
Auf einem massiven Stahl-Chassis befinden sich ein vierpoliger Drehstrommotor vom Typ AD 56/4 mit der Nummer 797239, eine durchlaufende Welle und auf der anderen Seite der Gleichstrom-Schweißgenerator mit der Nummer 51940.

Foto 3: Typenschild Drehstrommotor.
Mittig auf der Konstruktion sitzt die Steuereinheit für den Schweißumformer. Auf der Innenseite der robusten Abdeckung für die beiden Anzeigen, ist die Schaltungs- und Bedienungsanweisung aufgedruckt. Für jeden Nutzer leicht verständlich, der über ausreichend Kenntnisse in der Elektrotechnik verfügt.

Foto 4: Abdeckung der Messgeräte für Spannung (links) und Stromstärke (rechts) des Schweißgenerators mit aufgedruckter Bedienungsanweisung.
Die Schrift ist groß und auch nach den vielen Jahren wirkt deren gelbe Farbe noch frisch. Wer da an heutige Bedienungsanleitungen denkt, die nicht selten Plakatgröße haben und oft in so winziger Schrift gedruckt sind, dass selbst mit Lupe das Lesen schwierig werden kann, der bekommt vor dem Pragmatismus der Konstrukteure der damaligen Zeit Respekt.

Das Ganze ist von einem gefederten Handwagen mit Stahlrädern unterbaut. Zur Federung dienen Blattfedern.

Foto 5: Blattfederkonstruktion unter dem Handwagen.
Zwei massive Stahlösen auf dem Umformer machen es möglich den KU 250 mit Kran oder Lastenzug in die Höhe zu heben.

Foto 6: Massive Stahlösen auf dem Gerät und die
verlängerte Lagerbuchse am Schweißgenerator.
Um den Schweißumformer sind drei lange Kabel für den Drehstromanschluss, die Masse und das Schweißkabel gewunden. Erstaunlich, dass Gerät hat einen modernen IEC 60309 Mehrphasenstecker (Kraftstromstecker)!

Foto 7: Stecker IEC 60309.
An der Masse-Klemme ist die Reparatur der Isolierung mit modernem Baumontageband erfolgt.

Foto 8: Massenklemme mit reparierter Isolierung.
Ergo wurde der Schweißumformer bis in neuste Zeit noch verwendet. Auch die Gebrauchsspuren an der Masse und am Schweißkabel zeigen das. Möglicherweise könnte das Gerät noch funktionstüchtig sein. Doch zum testen blieb leider keine Zeit. Wir können jedoch davon ausgehen.

Auf der Deichselseite befindet sich der Gleichstrom-Schweißgenerator. Hervorstechendes Merkmal die verlängerte Lagerbuchse.

Foto 9: Typenschild des Scheißgenerator KU 250.
Bei der anschließenden Recherche stellten sich interessante Fakten heraus. Hergestellt wurde der Schweißumformer als KU-Serie seit 1930. KU 250 bezeichnet gleichzeitig die maximale Leistungsklasse in Ampere. Gebaut wurden solche Geräte in der Regel bis 500 Ampere. Diese Eingehäuse-Schweißumformer der Firma Kjellberg sind für hohe Beanspruchungen konzipiert. Und das leisten sie auch. Wie aus der Bedienungsanweisung oben hervor geht und in der Elektrotechnischen Zeitschrift, Jahrgang 59, Heft 9 von 1938 nachzulesen ist, eigneten sich diese Umformer zum Betrieb mit Wechselstrom als auch Gleichstrom. Etwas was zu damaliger Zeit nicht verwunderlich war. Zu dieser Zeit (20er bis 40er Jahre), wurden noch viele Stromnetze mit Gleichstrom betrieben. Ein Relikt aus der Anfangszeit der Elektrizität. Die Umrüstung auf Wechselstrom war immer noch in vollem Gange. Beispielsweise wurde der Bahnhof Finsterwalde /Niederlausitz erst 1934 auf Wechselstrom umgestellt. Bei der Größe des Bahnhofes mit allen Stellwerken, Diensträumen und Werkstätten, sicher eine Herausforderung.

Der Schweißumformer KU 250 kann in zwei Leistungsmodi betrieben werden, bis 120 Ampere und darüber. Der Wechsel erfolgt über einen eingebauten Regler oder alternativ über Fernregler.

Foto 10: Rechts der Regler 0, Y, Delta für die Leistungsmodi des Schweißgenerators.
Links die Wählscheibe für die Schweißdraht stärken.
Und damit nichts schief geht, ist die Kontaktbelegung als Skizze gleich auf der Bedienungsanweisung im Deckel aufgedruckt. Siehe Foto 4 oben.

Ein weiterer interessanter Punkt, es können zwei Geräte parallel betrieben werden. Auch dafür ist die Kontaktbelegung auf der Bedienungsanweisung enthalten. Siehe Foto 4, linke Skizze.

Laut Typenschild kann der Drehstrommotor zwischen 190 und 500 Volt Kraftstrom betrieben werden. Bei den damals noch sehr unterschiedlichen Stromnetzen, ein erheblicher Vorteil.

Mit einer speziell angeordneten Wicklung im Gleichstrom-Schweißgenerator, die als gegenkompoundiert bezeichnet wird, war es den Kjellberg-Geräten möglich eine bessere Spannungsstabilität des Schweißstromes zu erreichen. Bei den beim Schweißen automatisch auftretenden wechselnden Lasten, ein Vorteil. Folge: Ein besserer Wirkungsgrad des Schweißgenerators. Selbst auf rostigen Oberflächen entstand so schnell ein Lichtbogen.

Mehr zur Gegen-Kompensationswicklung bei Gleichstromgeneratoren hier:  Die Kompensationswicklung

Wie sich nach der Markteinführung 1930 zeigte, führte die hohe Leistung der Schweißumformer im Gehäuse zu hohen Temperaturen. Die Geräte mussten zum abkühlen zwischenzeitlich abgeschaltet werden. Ab 1932 rüstete Kjellberg deshalb seine Geräte mit einem auf die Welle montierten Lüfter aus. Zwei Schlitze mit Lüftungsgitter an der Unterseite, sorgten für Frischluft im Gehäuse. Mit 1450 Umdrehungen pro Minute löste so ein ordentlicher Luftzug das thermische Problem.

Am Steuerteil befindet sich links eine Wählscheibe zur Berechnung der erforderlichen Schweißdrahtstärken, für entsprechend zu schweißende Materialstärken und erforderliche Schweißleistung. Simpel, leicht verständlich, wetterfest und sehr praktisch.

Foto 11: Wählscheibe für die erforderlichen Schweißdrahtstärken, Stromstärken
und der Schaltregler für die Lasteinstellungen.
Der Schweißgenerator liefert Spannungen zwischen 15 und 25 Volt und Schweißströme zwischen 30 bis 250 Ampere. Wie aus der Wählscheibe zu erkennen, ermöglicht das sehr unterschiedliche Materialstärken zu schweißen. Dabei behält das Gerät einen gleichbleibenden Wirkungsgrad von 70 Prozent ED bei, auch bei 100% Leistung. ED steht dabei für die Einschaltdauer bis das Gerät abkühlen muss, um es vor Überhitzung zu schützen. Ein solcher Wert galt in der damaligen Elektrotechnik für leistungsfähige Maschinen als ein sehr guter Wert. Das ermöglicht eine hohe Dauerschweißleistung. Folglich stellten die Kjellberg-Schweißumformer sehr wirtschaftliche Maschinen dar.

Die Anspruchslosigkeit bei der Stromversorgung und die Breite der Einsatzmöglichkeiten, führten zu einer hohen Flexibilität der Schweißumformer und begründeten damit in der Schweißtechnik den zweiten wichtigen Erfolg der Firma Kjellberg Elektroden & Maschinentechnik GmbH.

Foto 12: Messing-Logo der Firma Kjellberg Elektroden und Maschinentechnik GmbH 1940.
Mehr zur Geschichte der Schweißtechnik der Firma Kjellberg ist hier nachzulesen: Geschichte der Schweißtechnik der Firma Kjellberg

Ursprünglich waren die Geräte nur für den Einsatz in Werkstätten gedacht. Doch wegen ihrer Robustheit und Flexibilität, setzten sich die Kjellberg-Geräte in kurzer Zeit in vielen Metallbereichen Europas durch. Besonders in der Bauindustrie, dem Maschinenbau und der Schiffsfahrtsindustrie waren die Geräte sehr beliebt. In der Folge entstanden über weite Teile Europas verteilt Vertretungen und ein Händlernetz.

Foto 13: Anzeige der Vertretung Walter Siewert in Danzig 1940.
Etwa ab 1936 wurde Kjellberg zum Weltmarktführer für leistungsfähige Lichtbogen-Schweißtechnik. Wie aus den elektrotechnischen Zeitschriften und Fachzeitschriften zu entnehmen ist, war die Kjellberg Elektroden & Maschinentechnik GmbH ständiger Gast bei den Messen in Europa.

Was bleibt?

Ein interessantes Stück Niederlausitzer Technikgeschichte was vor dem Verschrotten gerettet wurde. Dazu entpuppte sich der Schweißumformer als eine erstaunlich raffiniert Konstruktion, was zweifellos den Stand der damaligen Leistungs-Elektrotechnik repräsentierte. Mit diesen Eigenschaften wurden diese Geräte bis lange nach dem Krieg zum Welterfolg und wurden erst durch die Entwicklung der Leistungselektronik verdrängt.

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Quellen:

Kjellberg Elektroden und Maschinen GmbH, Finsterwalde
https://brandenburgikon.net/index.php/de/unternehmen-bis-1945/niederlausitz/kjellberg

Erfinder Oscar Kjellberg
https://de.wikipedia.org/wiki/Oscar_Kjellberg

Geschichte des Schweißens
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Schweißens

Entwicklung der Schweisselektrode
https://de.wikipedia.org/wiki/Stabelektrode

Schweißstromquelle
https://de.wikipedia.org/wiki/Schweißstromquelle

Geschichte von Kjellberg Finsterwalde
https://www.kjellberg.de/historie.html

Literatur:

Elektrotechnische Zeitschrift, 59. Jahrg. Heft 9, 3. März 1938, Seite 244

Danziger Wirtschaftszeitung. Jg.20, Nr. 10, Seite 394 (15. Mai 1940) + wkładka

Elektrotechnische Zeitschrift (Zentralblatt für Elektrotechnik) Jahrgang 54.1933, Teil 2, Seite 1159 zum Einbau von Lüftern in Schweißumformer

Aufbau und Wirkungsweise der Schweißumformer, Schweißtransformatoren und -umrichter / Dieter Lieske
Deutsch Digitale Bibliothek

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Blog: Mit 8 Megapixeln durch die Niederlausitz.

Autor: Vel Thurvik
Fotos: Vel Thurvik

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